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Der große Blackout

Gestern war ein Abend wie so oft. Im heimeligen Licht meiner Schreibtischlampe telefonierte ich, zusätzlich beleuchtet von den Emissionen meines PC-Displays, der Lüfter meines PC surrte leise und der Fernseher lief. Plötzlich änderten sich diese Gegebenheiten schlagartig: Der Fernseher wurde dunkel und stumm, die Schreibtischlampe mochte genau wie der Monitor nichts mehr emittieren und das beruhigende Surren des PC-Lüfters war einer erschreckenden Stille gewichen, die nur durch meine telefonierende Stimme dramaturgisch etwas aufgelockert wurde. Diese Dramaturgie gestattete es mir auch nicht, mich in meinem Telefonat von ein paar Geräten stören zu lassen, die plötzlich den Dienst quittierten. Bis mir auffiel, dass mein Gegenüber nicht mehr antwortete. Eine der Segnungen von ISDN-Leitungen ist ja, dass diese bei mangelnder Stormversorgung keinerlei Kommunikation der Inhaber unterstützen. Und da war er – der gefürchtete

große Blackout!
Wir erinnern uns z. B. an den großen Stromausfall in New York am 13.08.1977 um meine Lage zu verdeutlichen!

Ok, ich saß in keinem Fahrstuhl fest. Und musste auch keine 6 Stunden auf der letzten Stufe einer Rolltreppe ausharren, aber ich befand mich immerhin inmitten gähnender Dunkelheit und völlig atemloser Stille, abgeschnitten von jedweder Zivilisation.

Normale Durchschnittsbürger machen in solch einer Situation Dinge, für die sie sonst keine Zeit haben: zum Beispiel ungefähr neun Monate später die lokale Geburtenrate in die Höhe schnellen lassen. Ich aber …

… suchte erstmal nach meiner Taschenlampe. Dunkel (was für ein Wortspiel!) konnte ich mich daran erinnern, dass meine Nichte anlässlich eines Besuches hier die Taschenlampe als Spielzeug konfiszierte – ich konnte mich aber überhaupt nicht entsinnen (noch nicht einmal dunkel), wo sie letztendlich abgeblieben war. Die Taschenlampe!

Zum Glück hatte ich noch den letzten Rest Zivilisation – mein Handy mit dem großen beleuchteten Display – griffbereit und konnte damit umherleuchten bis ich die Taschenlampe gefunden hatten. Die ersten New Yorker wären in dem Moment sicher schon bei der „Zigarette danach“ gewesen, aber da ich sowieso nicht rauche, schaltete ich erst einmal die Lampe ein und suchte weiter nach Kerzen, die alsbald das Zimmer in ein gemütliches Flackern tauchten. Nun da ich wieder nach Sicht laufen konnte, fand ich auch meinen Balkon.

Unten auf dem Gehweg hörte ich Frau Krawuttke berichten, dass man beim örtlichen Stromanbieter angerufen und wichtige Informationen erhalten habe. „Der Strom wird in paar Minuten oder ner Stunde oder heute nicht mehr wiederkommen.“ Ja, derartige Auskünfte schaffen Vertrauen! … zumindest bei Frau Krawuttke. Die machte gleich noch eine phäomenale Entdeckung: „Daaa, beim R. [das bin ich – der Verf.] flackert es, der hat noch Licht!“

Vielleicht hätte ich den Salzstein mit dem flackernden Teelicht doch mal vom Balkon werfen sollen.

Epilog: Der große Blackout dauerte eine Stunde, Menschen kamen nicht zu Schaden. Meine materiellen Einbußen beliefen sich auf zwei Teelichter.

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