Kategorie: Texte

  • Frau Krawuttke lauert mir auf

    Als ich heute von der Arbeit kam sah ich sie. An meiner Haustür. Blonde Lockenmähne, blaue Augen, atemberaubender Mini und … es war wieder nur Frau Krawuttke in Kittelschürze, Strickjacke und Hausschluppen. Und sie lauerte …

    Krawuttke´schen small-talk, der eigentlich long&boring-talk heißen müsste im Gedächtnis verlangsamte sich mein eben noch zügiger Feierabendschritt doch merklich. Aber Frau Krawuttke, die ihren Berichten zufolge vor lauter Krankheiten eigentlich schon im Koma liegen oder zumindest im Rollstuhl sitzen müsste, blieb tapfer stehen. Vor der Tür. Durch die ich hinein
    musste. Zum ersten Mal im Leben beneidete ich Amerika …. und zwar um die Feuerleitern an den Hauswänden. Nun half nur noch Beschäftigung vortäuschen.

    Ein hastiges „Guten Tag“ murmelnd stürzte ich an meinen Briefkasten, in dem eine Wahlbenachrichtigungskarte lag. Ja, im Mai wird bei uns Landrat und Bürgermeister gewählt – gedankenverloren steckte ich die Karte ein als ich die Stimme der Frau vernahm: „Jaja, wählen sollen wir nun auch noch gehen. Ich werde keinen von diesen Verbrechern wählen – sie nehmen sich die hohen Diäten und uns gehts jetzt schlechter als kurz nach dem Krieg. Ich hab in meinem langen Leben weißgott schon viel mitgemacht, aber das …. die Praxisgebühr wollen sie erhöhen und uns die Renten kürzen … uns Alten wird alles weggenommen … Schlimmer als nach dem Krieg, sag ich!“

    Mit einer energischen Bewegung schwang ich mich an der Polemikerin vorbei, aber nicht ohne zu erwähnen, dass Bürgermeister und Landrat meines Wissens mit Praxisgebühr und Rentenkürzung überhaupt nichts zu tun haben. Hier setzte nun punktgenau Frau Krawuttkes Schwerhörigkeit oder beginnende Demenz ein – sie bekam meinen Einwand schlichtweg nicht mit und schwadronierte weiter. Mittlerweile in einem Ton, der mich überlegen ließ, ob mir entgangen war, dass ich an wichtigen Regierungsbeschlüssen beteiligt bin.

    Das Schlimme an derartigen Monologen mit diesen Leuten ist immer, dass es Monologe sind … jeder eigene Einwurf wird schlichtweg ignoriert. Selbst wenn ich Frau Krawuttke zugestimmt hätte: „Ja, verdammt! Sie haben recht! Es ist wirklich viel schlimmer als nach dem Krieg. Damals hatten Leute wie Sie besseres zu tun als hier rumzulungern, mir aufzulauern und mir die Zeit mit Polemik und Stammtischparolen zu stehlen! Einen schönen Tag wünsche ich noch!!!“

  • Der Rabenvater

    In Ermangelung eigener Kinder teste ich hin und wieder an meiner Nichte, ob ich noch fähig bin die Jugend zu unterhalten. Meistens klappt es, obwohl ich mit meinen Talenten wie zeichnen, lesen oder Geschichten erzählen gar nicht zum Zug komme. Denn der kleine Wirbelwind – sie wird dieser Tage 6 Jahre alt – mag am liebsten Rollenspiele, bei denen sie den Hauptakteur, manchmal auch zwei, die Drehbuchschreiberin und die Regisseurin mimt.

    Meist haben wir so Kindergarten gespielt, wobei sie natürlich nicht das Kind war, wie es die Größenverhältnisse ja eigentlich nahegelegt hätten. Die von ihr gespielte Kindergärtnerin war dann jedes Mal abwechslungsreich dargestellt und mehr als streng. Drehbuch und Regie legten mir dann immer die jeweiligen Sätze oder Aktionen meiner Rolle in den Mund. Bei der „Schillerallee“ haben die Komiker da wirklich mehr Freiheiten. Aber ich soll ja auch nicht komisch sein, sondern unartig. Damit sie mich in die Ecke stellen kann …

    Heute war das erste Mal ein Klassiker dran: Mutter-Vater-Kind. Ich war echt froh, dass ich mal nicht das Kind spielen musste … und auch nicht die Mutter. Das Kind war eine Puppe und als emanzipierter Vater bekam ich sie von meiner Nichte auf den Arm und nu mach mal, füttern und so. Ok, nichts leichter als das … und als ich mich so mit dem Plastikbaby beschäftigte, fiel mir auf, dass es bei einer bestimmten Bewegung kurz weinerlich zu quietschen begann. Das fand ich dann aber nicht sehr realistisch – Babies bringen ihre Eltern ja schließlich im Normalfall sogar um den Schlaf und das ganz sicher nicht mit einem kurzen „Quäääk“. So rüttelte und schüttelte ich die Puppe bis das Geräusch in etwa meinen Vorstellungen entsprach, beobachtet von meiner Nichte.

    Später dann mit der Puppe auf dem Arm erzählte ich ihr, dass ich sie mal genauso gehalten hab, worauf sie grinsend fragte: „Aber du hast mich doch dann nicht so geschüttelt, oder?“

    pfffffff ….

  • Meisenknödel und Frau Krawuttke im Pfefferkuchenhaus

    Es gibt Zeiten, die gibt es gar nicht. Zum Beispiel jetzt gerade: Da schaue ich durch mein Fenster, den tanzenden Flockenwirbel ignorierend auf die Schar Vögel, die da unten vor dem Haus herumhüpft und von den Körnern nascht und an den Meisenknödeln probiert.

    In Zeiten wie diesen interessiert, ob die gefiederten Freunde vergnügt durch die Botanik hüpfen oder aber vielleicht schon etwas niesen, kränkeln oder gar schlimmstenfalls die Füße gen Himmel strecken. Vögel schlafen nämlich nicht auf dem Rücken so wie ich, sie sind dann tot. Gemeuchelt von einer Seuche, deren Namen ich nicht aussprechen mag, wie die Juden den Namen ihres Herrn.

    Doch man hat reagiert. Niemand darf mehr seinen zitronengelben Kanarienvogel draußen rumfliegen lassen, selbst Katzen sind von der Stallpflicht betroffen, weil Katzen Vögel sehr mögen. Ich mag Rindfleisch auch und wurde zu BSE-Zeiten nicht eingestallt. Hm, und ich sage immernoch „Guten Tag“ statt „Muh“ zu Frau Krawuttke.

    Frau Krawuttke ist übrigens die Hobby-Ornithologin, die den Busch vor meinem Fenster liebevoll mit Meisenknödeln drapierte und davor wie weiland Gretel, die mit Hänsel im Grünen unterwegs war, Körner verstreute. Manchmal glaube ich, Frau Krawuttke tut dies auch um wieder heimzufinden, denn sie ist schon über 90. Nur passt Frau Krawuttke dann doch nicht richtig zu Hänsel, weil sie im Pfefferkuchenhaus auf eine Art Zwillingsschwester treffen würde … aber ich schweife ab!

    Außerdem muss ich wieder ans Fenster, nach den Vögeln sehen.

    Und nach Frau Krawuttke, ob sie heimfindet.

  • Von Karneval und anderen Beerdigungen

    Es gab in den letzten fünf Jahren zwei Anlässe zu denen ich eine Krawatte getragen habe: Beerdigungen und Karneval.

    Eigentlich eine hübsche Dialektik – Beerdigungen sind meist so unerträglich traurig, dass es weh tut und Karneval ist eigentlich immer so unerträglich lustig, dass … naja …

    Gestern bin ich so wieder auf Arbeit gestiefelt, eine alte Krawatte im Rucksack um den Mädels eine Freude zu machen (und von anderen abschneidbaren Teilen abzulenken). Während es bei Beerdigungen eher unvorteilhaft ist, dass ich keinen Krawattenknoten kann, war es gestern kein Problem: Ungeduldig mit der Schere klappernd banden mir die netten Ladies das Ding sogar perfekt, bevor es fachfrauisch gekürzt wurde. Noch eine Ladung bunte Papierschnipsel verteilt, ein „Helau“ intoniert und Weiberfastnacht 2006 war überstanden.

    Wer nun glaubt, dass ich Karneval nicht mag – mit seiner militärisch-zackigen Lustigkeit auf wollemersereinlasse-Befehl, der sei erinnert, dass ich mich ja sogar kostümiert hatte! Wenns auch nur mit einer Krawatte war!

    Die Karawane zieht weiter …
    Gottseidank!

  • Huskymo

    Meine 5jährige Nichte war heute bei einem Schlittenhunderennen. Als Zuschauerin. Mit ihren Eltern.

    Wieder heimgekehrt erzählte sie mir am Telefon ganz aufgeregt davon und dass sie einen „Huskymo“ mitgebracht hätte. (Ich fand die linguistische Verschmelzung von Husky und Eskimo bemerkenswert!) Das Tier ist zwar aus Plüsch, aber es bellte tatsächlich am Telefon, wobei ich hier dann doch meine Nichte im Verdacht hatte.

    Später besuchte sie mich und stellte mir ihren neuen Spielgefährten vor und ich bestaunte den „Huskymo mit dem weichen Fell“, worauf sie ob ihres ungebildeten Onkels die Stirn runzelte und meinte: Das ist doch kein Huskymo, sondern ein Husky und er heisst Lassie!“

  • Eine Runde Schiggen für die Chicks

    Letztens bin ich mal nachts auf einem dieser Telefonspiele-Sender hängengeblieben. Zwei junge, nicht unattraktive Ladies gaben einen Buchstaben vor und dazu in etwa den Satz „Was wir gestern gegessen haben.“ Zum Anfüttern gabs ein G und der erste Anrufer löste gleich auf: „Gulasch“. Angeblich war ihm das spontan eingefallen. Nun gut, ich hätte wohl eher an „Geraspeltes Birnenkompott“ oder „Graupensuppe mit Möhrchen“ gedacht – aber egal. Vielleicht war der Anrufer auch nur Mehmet, der Schwager der linken Blondine da auf der Mattscheibe.

    Dann wurde es höllisch schwierig: „S“. Nachdem die einfachsten Begriffe, wie „Suppe“ oder „Spinat“ per Anrufer aus dem Rennen waren, ließen die Mädels verlautbaren, dass es sich um was ganz ekliges handelt. Nun gut, wenn die beiden sowas essen. – Mich durchfuhr es: „Saumagen!“ … und mein Blick wanderte zum Telefon. Ok, der Blick war nur angetäuscht – ich widmete mich wieder der Sendung und erfuhr von Leckereien, wie „Scampis“, „Seegarnelen“ oder „Sushi“. Alles falsch.

    Aber die Pointe ließ nicht lange auf sich warten als Karl-Rudi aus Herne* anrief und in Gedanken schon den Jackpot bei seinem Ferrarihändler ausgebend in sein Telefon nuschelte: „Schiggen Mäck Naggeds.“

    Ok, die beiden Chicken waren sichtlich amused.

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    * Namen und Ort von der Redaktion geändert.