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Gejagt von Herrn Krawuttke jun.

Seit nunmehr sieben Jahren lebe ich hier in diesem friedlichen Haus, gemeinsam mit Frau Krawuttke 1 – 5, drei Ringeltauben, zwei Kellerasseln und ein paar weiteren Leuten. Die letzten Jahre verliefen relativ ruhig, wenn man davon absieht, dass mein ISDN- und DSL-Anschluss fast auf Frau Krawuttke übergegangen wäre und sie mir hin und wieder recht ausschweifend und kichernd von ihren Tanztee-Erlebnissen mit dem unvergesslichen Hans-Hubert-Batzen-Sextett erzählt. Ich bin mit meinen fast vierzig Jahren ja der Benjamin unter den zwölf Mietparteien hier und immer ein dankbares Opfer.

Der nächstjüngere männliche Bewohner ist Mitte Fuffzig, ohne Arbeit und zeichnet sich durch rege Betriebsamkeit aus. So pendelt er ca. zweistündlich zwischen den Polen Ehefrau in der Wohnung (vermutlich abstoßend) und Alkoholreserven im Keller (vermutlich anziehend). Um den abstoßenden Pol ein wenig anziehender zu gestalten legte er sich – nennen wir ihn einfach Herrn Krawuttke jun. – einen Computer zu. Und hier, der geneigte Leser wird es erahnen, komme ich ins Spiel ….

Ich habe schon Leute erlebt, die ihren PC nur als Schreib- oder Kartenspielmaschine benutzen. Herr Krawuttke jun. schlägt dies um Längen: Er benötigt ihn ausschließlich zum Ausprobieren von Antivirensoftware. Alles begann damit, dass mir hin und wieder eine Frage gestellt wurde, so wir uns zufällig im Treppenhaus trafen. Immer drehte es sich um Programme zur Virenabwehr. Eine neue Qualität wurde erreicht als Herr Krawuttke jun. – nennen wir ihn in der Folge Herr K. – bei mir klingelte und mich an meiner Wohnungstür in ein längeres Gespräch über sein Antivirenhobby verwickelte. Ich bekam gerade Besuch und dieser musste hinter Herrn K. geduldig warten bis dessen antivirale Neugier gestillt war. Meine Hinweise auf Zeitmangel wegen meines Besuches nahm mir Herr K. in seiner toleranten Art nicht krumm und ignorierte sie einfach freundlich.

Mittlerweile treffen wir uns – bedingt durch seinen dipolaren Bewegungsdrang – täglich ein, zwei Mal auf der Treppe. Er ist quasi permanent im Haus unterwegs und ich frage mich ernstlich, wann der arme Mann die Zeit findet, seine Virenprogramme auszuprobieren. Jedes „Gespräch“ beginnt mit den Worten: „Ah, wo ich Dich gerade treffe …. ich hab da mal eine Frage zum Computer ….“ Die aktuelle Themenwoche startete mit der Frage: „Wenn ich ein neues Antivirenprogramm installieren will, muss ich dann vorher das alte deinstallieren?“, setzte sich fort über „Wenn ich aus einer Zeitschrift ein Antivirenprgramm installieren will, das ein Jahr kostenlos ist, muss ich es dann nach diesem Jahr bezahlen?“ Ab und zu klingelt er nun auch immer bei mir an der Wohnungstür, blöderweise immer außerhalb meiner Computerfragen-Sprechzeiten.

Mitte der Woche stand ich mit recht schweren Einkaufstaschen vor der Haustür und musste mir den Einlass durch Beantwortung einer weiteren Frage verdienen, Herr K. hatte mich von weitem herannahen gesehen und brav auf mich gewartet: „Ich habe mir im Internet ein Antivirenprogramm heruntergeladen und bekomme nun eine Mail von denen zum aktivieren, wo sehe ich denn diese Mail?“ Ich war etwas ratlos, der Einkauf zerrte an meinen Armen und Herr K. an meinen Nerven und ich erklärte ihm, dass er nach dem Einloggen im Mailkonto auch mal den Spamordner kontrollieren sollte, worauf er fragte: „Wie? Muss ich mich da etwa immer einloggen, wenn ich eine Mail lesen will?? Ich dachte, das wird irgendwo auf meinem Computer angezeigt, wenn da eine kommt!“

Gestern feierte dann meine Oma, die im selben Haus residiert, Geburtstag und Herr K. klingelte bei ihr um mich zu sprechen. „Ach, ihr feiert wohl Geburtstag? Wer hat denn? – Sag mal, ich hab eine Frage zum Computer. Ich will gerade eine E-Mail an die Computer-Bild schreiben, weil das mit der Anmeldung für das Antivirenprogramm nicht funktioniert hat. Da steht nun oben die Mailadresse der Computer-Bild, muss ich meine Adresse in das Feld darunter eintragen oder was? Da steht CC?“

Heute morgen kam ich dann fast zu spät zur Arbeit, weil Herr K. im Morgengrauen durch den Hausflur irrte auf der Jagd nach Computerviren und nach mir.

Fortsetzung folgt sicher.

(Die geschilderten Begebenheiten entsprechen leider alle der Realität.)

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