Kategorie: Texte

  • Frau Dr. med. Krawuttke klärt auf

    Eine Verwandte  hielt sich letzte Woche ein paar Tage wegen zu klärender ungeklärter Blutwerte in den stationären Gemächern der Halbgötter in Weiß auf.

    Vorgestern traf ich Frau Krawuttke an der Papiertonne, wo sie Zeitungen entsorgte oder herausfischte – man weiß das ja nicht so genau. Sogleich erkundigte sie sich nach meiner Verwandten, worauf ich ihr erzählte, dass diese gemeinsam mit einem Magengeschwür wieder daheim ist. Frau Krawuttke glänzte sodann vortrefflich mit ihrem gastro-medizinischen Fachwissen: „Naja, da muss sie jetzt aufpassen, dass sie sich beim Essen nicht so aufregt.“

  • Das Internet quietscht

    Das Leben lebt von Gegensätzen: Weiß wäre ohne seinen Kontrast zu schwarz nicht halb so blütenweiß, wie wir es kennen. Ungelogen. Ein ebenfalls gelungener Kontrast ist zum Beispiel der chinesische Irgendwas-naut, der mit seinem Fähnchen im All wedelt, während sein Land Entwicklungshilfe einstreicht. Oder, wie vor kurzem in einem Artikel gelesen, High-Tech-Erfindungen  im Konsumsektor vs. quietschende Schuhe.

    Quietschende Schuhe???

    Seit einer Woche wird jeder meiner Schritte unüberhörbar dokumentiert. Nichts hilft. Ich änderte sogar meinen Gang, was ich sehr schnell aufgab als ich mitleidige Blicke wegen einer vermuteten Beinverletzung erntete.

    …. etwas schneller quietschte ich heute als an unseren öffentlichen Internetarbeitsplätzen selbiges ausgefallen war. Bevor ich aber zur Fehlersuche losquietschen konnte, bekam ich von einem Nutzer noch einen wertvollen Tipp, der zukünftige Ausfälle verhindern sollte: „Kaufen Sie sich doch einen Internetprovider!“

    Ok, in Zeiten der Finanzkrise vielleicht sogar bald realisierbar …

    (Anmerkung: Wie sich später herausstellte meinte er einen WLAN-Router.)

  • Das Duell

    Bundesweiter Tag des offenen Denkmals war heute. Polizei, Bildung, Rauchverbote – alles ist Ländersache, aber das sonntägliche Aufreißen von Denkmaltüren regelt der Bund. Ich boykottiere das ja, schaue mir nie ein geöffnetes Denkmal an diesem Tag an, habe einfach besseres zu tun. Die letzten fünf bis zehn Jahre habe ich z. B. immer das Denkmal, in dem ich arbeite, interessierten Besuchern nahegebracht.

    So auch heute.

    Irgendwann betrat ein Pärchen mittleren bis fortgeschrittenen Alters das Haus. Ich bin beim schätzen immer so schlecht. Sechzehnjährige schätze ich meist auf Mitte 20 und Mittezwanzigjährige auf Fuffzig. Oder 49.

    Dem fortgeschrittenen Pärchen begann ich also ein paar Kleinodien zu erklären, was sich aber als schwieriges Unterfangen erwies. Jedes Mal wenn ich Luft holte und ansetzte brach „sie“ lautstark in wahre Begeisterungsstürme über das gerade erblickte aus: „Mein Gott, ist das aber toll. Das haben sie aber schön rekonstruiert hier ….“ Also verstummte ich, wartete einige Sekunden ab, in denen „sie“ auch wirklich ruhig blieb, holte Luft und … „Haaaach, schau nur Hans-Dieter, schau!“

    Nun waren Tricks gefragt! Der erste Versuch ohne Luft zu holen zeigte keinen Erfolg. Versuchsreihe zwei: Desinteressiert in der Gegend herumschauen, um dann urplötzlich wie ein Papagei, dem sein Pirat eine mit dem Enterhaken verpasst hat, loszusprechen. Fehlanzeige – „Da haben sie aber etwas sehr schönes hier! Das hätte ich in diesem Hause aber gar nicht erwartet!“

    Dann also harte Bandagen! Ich ließ sie reden und erklärte einfach parallel dazu weiter bis ihr Mann mich freundlich anlächelte und etwas genervt auf seine Frau deutete: „Entschuldigen Sie bitte. Was haben Sie gesagt? Ich habe Schwierigkeiten damit zu folgen, wenn zwei Menschen gleichzeitig sprechen.“

  • Der …oppende Biker

    Und wieder eine dieser Nächte, in denen ich durch das Fernsehprogramm zappe, um dann bei einer dieser Gewinnshows hängenzubleiben:

    Moderatorin: „Was machst Du denn gerade?“
    Anrufer: „Trinken.“
    Moderatorin: „Du betrinkst Dich?“
    Anrufer: „Ja.“
    Moderatorin: „Alleine?“
    Anrufer: „Neee, mit meiner Freundin. Wir trinken und rufen dauernd an.“
    Moderatorin leicht panisch: „Oooh …. aaah, aber nicht vergessen ein Limit zu setzen! – Und nun Deine Lösung bitte.“
    Der Anrufer nennt die richtige Lösung (Tier mit Doppelbuchstaben: Affe) und – tatatataaa – darf sich Geldpakete aussuchen. Natürlich nimmt er die größten.
    Moderatorin smalltalkend: „Heute ist übrigens Tag des Kusses, habt ihr das gewusst?“
    Anrufer: „Ääääh, neeee.“
    Moderatorin: „Was habt ihr denn dann jetzt vor?“
    Anrufer den ersten Buchstaben vernuschelnd: „…oppen.“
    Moderatorin: „Äääh, was?!“
    Anrufer: „Shoppen.“
    Moderatorin: „Achso, hihihi … äääh … hihi .. ich dachte … ok … Was bist Du eigentlich von Beruf?“
    Anrufer: „Beikoch.“
    Moderatorin: „Biker? Das ist Dein Beruf?“
    Anrufer: „Beikoch. Wir sind in der Ausbildung.“
    Moderatorin: „Ausbildung zum Biker??? Gibts sowas??“
    Anrufer: „Beikooooooch!!!!!“

  • Ich bin Eule – aber sowas von!

    Am 22. März erschien in Spiegel-Online ein neuerlicher Artikel zur Eulen-Lerchen-Problematik:

    Link: Trost für Eulen und Lerchen

    Danach ist es genetisch vorbestimmt, ob man zu Früh- oder Spätaufstehern gehört. Letztere sind wiederum Lang-Schläfer, was gemein(hin) mit Viel-Schläfern verwechselt wird. Mittels eines einfachen Hauttestes ist der Gentyp zweifelsfrei nachweisbar …

    Ich brauche den Hauttest nicht, weil ich unverkennbar und durch und durch Eule bin. Schlecht ist nur, dass die Lerchen auf der moralisch überlegenen Seite flattern. Dies resultiert aus archaischen Traditionen, als es noch keine Glühlampen gab und der Mensch den Beginn seines Tagwerkes danach ausrichtete, wann das Nutzvieh zu frühstücken geruhte. „Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ – Was aber, wenn der Vogel im Morgengrauen noch an völliger Appetitlosigkeit leidet? Ganz abgesehen davon ist ein sich ringelnder Wurm auf dem knusprigen Frühstücksbrötchen auch nicht gerade das Nonplusultra um den Tag zu beginnen.

    Der Spiegel bezeichnet den werktäglichen Zustand der Eulen als „sozialen Jetlag“. Ich kumuliere mein Schlafdefizit an jedem Wochentag um mindestens drei Stunden. Da reicht kein Wochenende um das wieder auszugleichen. Versucht man es trotzdem, sind die Lerchen schnell herbeigeflogen und tirilieren etwas von „Faulpelz“ und „Schlafmütze“. Das grenzt an biorhythmischen Rassismus!

    Bei den Lerchen umfasst ein Tag auf der inneren Uhr weniger als 24 Stunden, bei den Eulen 24+X. Ich versuche seit Jahren mir dieses X abzugewöhnen, es bleibt statisch und wehrt sich vehement mit aller Macht meiner Gene, frei nach Shakespeare: „Es siegt die Nachtigall und nicht die Lerche.“

  • Frau Krawuttke trainiert meine Nerven

    Die Kindheit ist ein paar Tage vorüber, die Haare werden grau, der Bauch gerät außer Kontrolle und mit den Frauen läuft es auch nicht mehr so richtig. Es muss also unbedingt etwas getan werden. Und da es laut dem römischen Schreiberling Juvenal einen gesunden Geist in einem gesunden Körper zu wohnen gelüstet, ist genau hier mein Ansatz …

    Heutzutage gibt es da ja einiges an Möglichkeiten sich dem allgemeinen Fitness- und Wellness-Wahn hinzugeben. Das simpelste ist sicherlich eine Diät, die aber ganz fix in komplizierteste Nähr- und Energiewertberechnungen ausarten kann, die selbst einem Abiturienten die Schweißperlen auf die Stirn treiben.

    Also dann lieber Sport – das geht ganz ohne aufwändige Rechnerei, wenn man nicht gerade Eiskunst läuft und dabei Jurybewertungen oder Siebenkampf betreibt und dabei erreichte Punktezahlen addieren muss. Mein Favorit hierbei ist das Joggen – das hat den ganz kleinen Nachtteil, dass es nur Outdoor betrieben werden kann und man als relativ unsportlicher Mensch dabei nicht die Top-Figur macht. Kurz erwägte ich Nacht-Jogging, verwarf die Idee aber sehr schnell wieder.

    Vielleicht reichen ja auch einfach Heidis fettfreie Joghurt-Gums zum abnehmen, die sind lecker und keiner schaut zu. Täglich eine Tüte Joghurt-Gums …. hmmm … und man hat in einem guten Jahr das Geld für einen guten Crosstrainer verfressen. Also muss so ein Gerät her. Nach zwei Tüten Joghurt-Gums hatte ich recherchiert und online bestellt.

    Heute kam das Gerät, ein unhandlicher Karton mit gefühlten 100 kg Inhalt. Zu gern wüsste ich, wie der Postbote das transportiert hat. Aber ich war nicht zu Hause und so fand ich heimkommend den Karton friedlich auf der Kellertreppe. Ähnlich wie eine Ameise in einer Trickfilmsequenz, die ächzend ein Vielfaches ihres Körpergewichtes schleppt, versuchte ich das Paket in meine Wohnung im ersten Stock zu transportieren. Als es mir das zweite Mal auf den Fuß gefallen und die mühsam hochgewuchteten Treppenmeter wieder heruntergepoltert war, wurde mir eines klar: Ich brauche gar keinen Crosstrainer, es reicht ein großes Postpaket und meine Treppe.

    Polternd und schimpfend wieder im Keller angelangt öffnete ich die Verpackung um die Teile einzeln zur Mitarbeit zu bewegen als ich Schritte hörte. Hinter mir stand natürlich Frau Krawuttke und sah mir beim auspacken zu. „Ist das so ein Heimtrainer zum Fahrradfahren?“ Ich erklärte ihr wie ein Crosstrainer funktioniert, während ich mir Gedanken über das weitere logistische Vorgehen machte. Da meinte Frau Krawuttke, dass ihr Mann daheim sei und das ganze mit mir tragen könnte. Nun, Herr Krawuttke hat schon einige Sommer ins Land gehen sehen und ich war mir nicht hunderttprozentig sicher, ob meine Haftpflichtversicherung auch Witwenrenten bezahlt. „Nein, nein! Vielen Dank, aber ich hab wirklich alles perfekt im Griff.“

    „Na gut“, Frau Krawuttke schaute skeptisch zu, wie ich das größte Teil des Trainers anhob: „Wissen Sie, mein Mann hört jetzt Schallplatten.“ – Ich schaute auf: „?!?“ – „Ja, wir haben früher immer in unserer Jugend das Peter-Hertwig-Quintett gehört und jedes Wochenende getanzt. Kennen Sie das Peter-Hertwig-Quintett?“ Ich ließ fast meine Last fallen: „Frau Krawuttke, es tut mir leid, aber ich höre eigentlich völlig andere Musik.“ Von diesem Quintett hatte ich noch nie etwas gehört und werde es hoffentlich auch nie hören müssen. Enttäuscht grummelte sie: „Lassen Sie mich nur schnell erzählen: Wir trinken jetzt nachmittags immer ein Tässchen Tee und hören Schallplatten des Peter-Hertwig-Quintetts dazu.“ Frau Krawuttke kicherte als hätte sie den Witz des Jahrhunderts gerissen.

    Und ich wollte nachmittags einfach nur diesen Crosstrainer in meine Wohnung bekommen! Ohne verdammten Tee und Schallplatten!! Und möglichst auch ohne Frau Krawuttke.

    „Ja, früher waren wir kaum zu Hause und jetzt hören wir zu Hause Schallplatten – wenn uns das damals jemand gesagt hätte …“ Das Kichern nahm kein Ende …

    Irgendwie habe ich den Crosstrainer jetzt doch hier und Frau Krawuttke lebt auch noch.